01.04.2021

Geduldsfaden oder Zündschnur

Der Lockdown: verlängert. Die Beschränkungen: nicht aufgehoben. Für die einen Grund genug auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren – ohne Maske und Abstand. Für die anderen wird die Geduld weiter auf die Probe gestellt. Wie mag es Ihnen, verehrte Leserschaft, mit den Entscheidungen gehen?

Ohne Frage: Geduldsfäden haben eine deutlich längere Lebenszeit als Zündschnüre. Aber der Griff zur Streichholzschachtel liegt nahe, wenn der Geduldsfaden reißt, damit die Bombe platzen kann. In Harreshausen sind Bomben erneut entschärft worden. Niemand wurde verletzt. Spezialisten hatten die Situation im Griff und für Entspannung gesorgt.

Unsere Stressverträglichkeit kommt schnell an ihre Grenzen, wenn der Mensch merkt, dass das Lebenssystem nicht mehr funktioniert. Ich kenne mich nicht mehr aus im gewohnten Leben – Folge: Alpträume, Zittern oder physiologische Konsequenzen. Wenn Lebenskonstrukte als „ungültig“ erfahren werden, führt das zu einer Krise der Welterfahrung und Identität. Die Zündschnur liegt da oft näher, als noch etwas mehr Geduld aufzubringen.

Momentan entsteht der Eindruck, dass sich eine Krise an die andere reiht: Covid-19, Klimakrise und Artensterben, Black Lives Matter und Verschwörungstheorien, um nur einige Schlagworte zu nennen. Krisen können zur Hilflosigkeit führen, Angst und Wut begleiten sie, Misstrauen und Rückzug, Feindbilder und Aktionismus folgen möglicherweise.

Unweigerlich drängt sich die Frage nach Sicherheit und Halt auf. Was trägt? Wer trägt mich? Haben die Spezialisten alles im Griff? Handlungsentscheidungen sind gefordert, damit die Bedrohung und Unsicherheit weicht. Die Zukunft soll doch lebenswert und sicher sein.

Was haben Geduldsfäden und Zündschnüre mit Karfreitag und Ostern zu tun? Viele Menschen gehen in diesen Wochen durch eine große Hoffnungslosigkeit: Wo finde ich Mut für diesen Tag? Das Gute ist: Keiner geht alleine durch diese Zeit. Und es mag banal klingen, aber: Gott ist da. Hoffnung hat mit einer Entscheidung zu tun. Hoffnung ist nicht nur ein Gefühl, sie geht tiefer. Hoffnung hat mit Karfreitag und Ostern zu tun. Was feiern wir?

Gott hat diese Welt nicht aufgegeben. Er hat dich und mich nicht aufgegeben. Wir feiern, dass Gott nicht der Geduldsfaden gerissen ist! (Allen Grund dazu hätte er...) An Ostern feiern wir begründete Hoffnung: Du bist geliebt. Du bist angenommen. Du bist gewollt. Du gehörst dazu. Du bist willkommen. Jesus Christus hat dem Tod die Macht genommen und das Leben zum Sieger erklärt! Er ist der Spezialist für Hoffnung. Die Bindung an ihn trägt. Trotz meiner vielleicht gegenteiligen Gefühle.

Vor einem Jahr wurden Regenbogen an die Fenster geklebt: Alles wird gut – so lautete die Botschaft. Das will ich auch in diesem Jahr glauben und leben. Die Entscheidung für diese Hoffnung hat etwas mit Seelenhygiene zu tun. Auch wenn du nicht an Gott glaubst: Entscheide dich für die Hoffnung. Es kommen auch wieder andere Zeiten.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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