Das Wort zum Donnerstag

Das Wort zum Donnerstag

27.02.2025

Meine Krücke

Manche Zeitgenossen meinen, der Glaube an Gott sei eine Krücke. Also etwas für Alte, Kranke und gebrechliche Menschen, die auf eine Stütze angewiesen sind. Vielleicht auch für Kinder. Auf jeden Fall eine Erfindung für Menschen, die ihr Leben (noch) nicht auf die Reihe kriegen.

Bisher hatte ich mit Krücken in meinem Leben nichts zu tun. Bei dem Stichwort sehe ich vor meinem inneren Auge lediglich meinen Großvater am Krückstock gehen. Das ist allerdings schon sehr lange her. Seinen Krückstock besitze ich noch. Reichlich verziert ist dieser mit aufgenagelten Blechschildchen, die zeigen, wo der Großvater schon gewesen war. Die kleinen Blechwappen und Reliefschildchen wurden untereinander an den Krückstock gehämmert. Quasi ein Vorläufer der Urlaubsbilder im WhatsApp-Status. Die Blechschildchen waren ein Hingucker und lenkten davon ab, dass da einer – im wahrsten Sinne des Wortes - am Stock ging.

Seit einigen Tagen gehe ich am Stock. Ein Krankenhausaufenthalt macht es nötig, dass ich mich mit Krücken fortbewege. Und ich kann nur sagen: Gut, dass es Krücken gibt. Sie stützen, sie tragen, sie nehmen die Last auf sich und machen es möglich, dass ich mich fortbewegen und genesen kann.

Insofern ist die Krücke kein schlechter Vergleich für den Glauben an Gott. Denn: der Glaube hält, stützt und trägt zur Heilung bei. Tatsächlich ist mir mein Glaube eine Gehhilfe, Stütze und Ermutigung – gerade dann, wenn ich mich angesichts persönlicher oder gesellschaftlicher Herausforderungen klein, macht- und hilflos fühle und nicht mehr weiß, wie ich vorwärtskommen soll.

Meine Krücken und ich. Wir sind eine Einheit geworden. Ohne sie geht gar nichts. Sie sind in meiner Nähe und nur ein Griff weit entfernt.

Irgendwann, wenn das Gehen auf den eigenen Beinen wieder funktioniert, werden die Krücken nicht mehr gebraucht und stehen fortan in der Ecke. Die Krücke ist ein temporäres Hilfsmittel. Bedenklich, wenn der Glaube nur dann benutzt wird, wenn es im Leben nicht rundläuft, man nicht vorwärtskommt und ansonsten in der Ecke zur Zierde steht. Glaube für den Notfall, für die Krise oder auf Zeit. Ja, besser als nichts, aber so ist Glaube nicht gedacht.

Glaube will kein temporärer Krückstock für schlechte Zeiten sein. Im Gegenteil: er ist eine dauerhafte Hilfe für Menschen, die nicht allein durchs Leben laufen können oder wollen. Mein Glaube und ich. Wir sind eine Einheit. Ohne meinen Glauben geht gar nichts: Gott an meiner Seite – oder ich an Seiner? Auf jeden Fall sind wir gemeinsam unterwegs. Wir sind und bleiben im Austausch. Er ist nur ein Gebet weit entfernt. Und vor allem nicht erst dann, wenn ich am Stock gehe.

Bleiben Sie gesund und behütet.

Pastor Burkhard Heupel
Emmaus-Gemeinde

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